POLITISCHE AKTIONSKUNST ODER VANDALISMUS?

Letzten Samstag haben Aktivist:innen der Initiative „Last Generation“ einmal mehr für Aufregung gesorgt: Sie haben eine schwarze Flüssigkeit – symbolisch für Erdöl – gegen das Denkmal der Grundrechte vor dem Gebäude des Bundestags geschüttet. Die Empörung darüber ist gewaltig und geht durch alle Medien und politischen Lager. Sie hätten unsere Grundrechte geschändet! Sie seien terroristische Bilderstürmer wie die Taliban! Last Generation wäre endgültig zu weit gegangen!

Nun kann man von den Aktionen dieser Gruppe halten was man will, ein Denkmal für die Grundrechte ist ganz offensichtlich nicht dasselbe wie die Grundrechte selber. Letztere sind lebendige Wirklichkeit – oder eben auch nicht. Tatsächliche Grund- und Menschenrechte und nicht ihre Denkmäler werden regelmäßig unter Erdöl oder anderen Rohstoffen erstickt. Die größte Bedrohung für Grundrechte geht indes vom menschengemachten Klimawandel aus. Wirksame Maßnahmen immer weiter zu verschleppen kann man durchaus als Verletzung von Grundrechten begreifen. Jedes Jahr, das wieder einmal weitgehend nutzlos verstreicht, bringt uns einer Lawine von sehr harten Folgen näher, seien es direkte Katastrophen wie Dürren und Überschwemmungen oder extreme Ungerechtigkeiten.

Das Grundrechte-Denkmal weist auf die Grundrechte hin. Die vermeintliche Schändung dieses Denkmals mit symbolischem Erdöl sollte auf eine tatsächliche Schändung eben dieser Grundrechte durch zu zögerliche oder mangelhafte Politik hinweisen. Wie immer man zu dieser Aktion steht, sie richtete sich nicht gegen die Grundrechte, sondern wollte im Gegenteil ihre Bedeutung unterstreichen!

Der Klimawandel wird, nicht ganz nebenbei, natürlich auch die Fluchtproblematik in heute noch kaum geahnte Dimensionen treiben. Weite Teile des globalen Südens werden Prognosen zufolge praktisch unbewohnbar werden, einfach weil es zu heiß wird oder langanhaltende Trockenheit und extreme Niederschläge kaum noch Landwirtschaft möglich machen. Verteilungskämpfe um Land und Wasser werden zu noch mehr Kriegen führen und noch mehr Menschen zur Flucht zwingen. Auch in Europa wird der Klimawandel tiefgreifende Anpassungen notwendig machen.

Darüber hinaus müssen wir uns entscheiden: Für eine immer brutalere Abschottungs- und Abschreckungspolitik oder für intelligente Integrationskonzepte, die weit über Verteilungslogistik in Unterkünfte und Lager hinausgeht. Der Ausbau der Festung Europa ist heute ganz überwiegend das Mittel der Wahl. Das ist nicht nur zutiefst inhuman, sondern letzten Endes auch zum Scheitern verurteilt. Der Migrationsdruck wird dann seine eigene Realität in Europa schaffen. Wir haben wirklich allen Grund, uns über den Zusammenhang von Klimawandel und Grundrechten vertieft Gedanken zu machen. Letztere sind keine Buchstaben hinter Glas und werden durch ganz andere Dinge als schwarze Farbe herausgefordert.

Fotoausschnitt einer Aktion der "Letzten Generation"